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Aktuelle Gedanken

Wort zum Mittwoch, 03.07.2024

Carolin Esgen, Prädikantin im Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Lohr

Laut geläutet

Am Ende der Vorrunde der Fußball-Europameisterschaft brachte der evangelische Pressedienst eine skurrile Mitteilung: eine Kirchengemeinde in Mittelfranken hatte die Tore der deutschen Nationalmannschaft beim Public Viewing mit kurzem Glockenläuten gefeiert (epd, 27.6.24). Was fröhlich gemeint war, kam bei einzelnen Menschen – und der Landeskirche – nicht so gut an. Die Läuteordnung wurde zitiert, auf weitgehende Beschränkung auf liturgische Anlässe verwiesen. Ein anonymer Anrufer warf sogar Blasphemie vor, so die Pressemitteilung. Glockenläuten zu EM-Toren rufschädigend – für die Kirche? Für Gott?
Das Glockenläuten vieler Kirchen strukturiert den Tag hörbar: Läuten zur vollen Stunde oder auch dazwischen. Die Glocken rufen zu Gottesdiensten, erinnern an Gebetszeiten zuhause oder in der Kirche, läuten je nach Gegend und Brauch Verstorbene aus, heißen mit fröhlichem Läuten einen getauften Menschen in der Kirche Jesu Christi willkommen.
Der Glockenstuhl in meiner Heimatkirche bedarf einer Kompletterneuerung – ein großes Spendenprojekt, denn Geld gibt es dafür von der Landeskirche nicht. Die mittlere und die große Glocke können noch geläutet werden. Ich lerne derzeit viel über die Glocke als Instrument, über hölzerne Glockenstühle, die mitschwingen, und über marode Eisenträger, die die Schwingungen ins Mauerwerk leiten. Wie hören Sie Glockenklang? Von der Ferne mit Freude? In der Nähe als Störung? Nehmen Sie den Klang häufig wahr oder nur, wenn zu ungewöhnlichen Zeiten geläutet wird? Haben Sie schon mal ganz eigenmächtig in einer der vielen Waldkapellen in der Region am Glockenseil gezogen und dem hellen Klang gelauscht? Mit schlechtem Gewissen, ob „man das darf“?
„Mich stören Glocken nicht, aber ob ich den Klang vermissen würde, weiß ich nicht“, sagt mir ein Kirchenferner. Und dann im Nachsatz: „Am Karfreitag fällt mir das Schweigen der Glocken auf, wenn stattdessen geklappert wird.“ Glocken – fehlt etwas, wenn sie nicht läuten? Ich persönlich freue mich, wenn ich einen schönen Glockenklang höre. Beim Vaterunser im Gottesdienst fühle ich mich beim Läuten der Vaterunserglocke über die Gebetsgemeinschaft in der Kirche hinaus mit anderen Menschen verbunden. Glockenklang klingt weit in die Gesellschaft – zur Feier Gottes. Lassen Sie sich gerne einladen von den Glocken der nächstgelegenen Kirche. Mitfeiern tut gut.
Glockenklänge – harmonisch abgestimmt – verbinden Menschen auch über Gemeinde- und Konfessionsgrenzen hinweg. Ein Glockensachverständiger berührte mich nachhaltig mit den Worten: „Die Glocken verschiedener Kirchen können in der Höhe, sozusagen am Himmel, ökumenische Verbundenheit im Namen Jesu Christi hörbar machen.“ Einheit im Klang. Freude daran. Bei heiligen – und gelegentlich auch profanen – Gelegenheiten.

Carolin Esgen, Prädikantin im Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Lohr